Geschichte Villa Weigang in Bautzen
Die Villa Weigang wurde im Jahre 1903 vom damals 26-jährigen Rudolf Weigang als Stadtpalais im Jugendstil erbaut. Rudolf Weigang bezog die Villa mit seiner Frau Dorothee nach der gemeinsamen Hochzeit am 5.9.1903.
Der an der Dresdner Kunstgewerbeschule lehrende Architekt Professor Alvin Anger, geb. am 29.11.1859, wurde mit dem Entwurf und der Ausführung beauftragt. Anger lehrte unter anderem Licht – und Schattenkunde, schrieb 1910 das „Neue Lehrbuch der Perspektive“ und war eine anerkannte Größe in der damaligen Architektenschaft.
Die Villa war Teil einer einzigartigen Gesamtanlage aus Landschaftsbau, Architektur und Kunst. Grotten- und Teichanlagen, Palmenhaus und Parkanlage und die herrschaftlichen Villen bildeten eine eigene Welt in der sich der bemerkenswerte Erfolg der Familie Weigang widerspiegelte.
Im Haus wuchsen die Kinder Heinz und Helga auf und die vierköpfige Familie bewohnte 16 Salons mit ca. 600 m² Wohnfläche. Die Villa zählte schon zur damaligen Zeit zu den bedeutendsten Wohngebäuden der Region und fand auch in der Öffentlichkeit großen Wiederhall.
So schrieb das Bautzner Tageblatt vom 19.9.1903 in einem
„architektonischer Spaziergang durch Bautzen“:
Zitat:“……. Beginnen wir mit der Betrachtung der eleganten modernen Villa an der Ecke Wall- und Wilhelmstraße! Ja, das ist ein Bau! Er lehrt uns wie kaum eine Villa Bautzens, daß die Architektur eine Kunst ist. Künstlerisch gedacht und empfunden und als dann kunstvoll ausgeführt ist alles an diesem Gebäude. Dieses Bauwerk besitzt im vollen Sinne des Wortes Stil und zwar darf die Villa wohl als ein Musterbau des modernen Stils bezeichnet werden. Modern ist der Bau in seiner architektonischen Formengestaltung , wie in der Ornamentation und in seiner Farbentönung. So ist dem Bauwerk ein einheitliches Stilgepräge eigen, das sich auf die geringste Einzelheit in der Ausführung erstreckt. Betrachtet man das Gebäude eingehend, so wird man geradezu überrascht von dem Linienreichtum, den es aufzeigt. Jede der sichtbaren Fronten zeigt eine andere Struktive Gliederung und wie charakteristisch sind dabei die Profilierungen der Süd- und Westfassade herausgearbeitet. Stolz strebt aus der Vereinigung dieser beiden Fassaden der Bau turmartig empor, gekrönt von einer ornamental reichlich verzierten Kuppel, während die östliche Front einen stattlichen Portalanbau besitzt. Erkerausbau, Freitreppenanlagen beleben die Bauformen ungemein reizvoll und verleihen dem Gebäude ein plastisches und malerisches Gepräge. Erfreut ruht daher das Auge auf den neunen schönen Linien, die voller Mannigfaltigkeit sind, ohne das sie in das Bizarre verfallen. Vornehm gehalten ist die Farbentönung des Gebäudes. Harmonisch abgestimmt hebt sich das matte Blau des Gartengitters von der Grundfarbe der Villa und dem Grün des Gartens wirkungsvoll ab. Es zeugt entscheiden von seinem Stilgefühl des Erbauers, daß er das Gebäude nicht unmittelbar an die Wallstraße gelegt hat, sondern zurück in den Garten, nach der Wilhelmstraße. Dadurch wurde das Gebäude gleichsam seiner architektonischen Umgebung enthoben und wie traulich beschatten nun die Zweige der Bäume den malerisch -schönen Bau. Das Wohnen in dieser Villa enthebt den Bewohner derselben dem Geräusch der Wallstraße und ist so recht ein Wohnen im Grünen! Nach alledem können wir diesem Villenbau modernen Stiles als vorbildlich bezeichnen und er vermag unseren Kunsthandwerkern lehrsame Anregungen zu geben. So bildet dieses Gebäude unter den Bauten unserer Stadt wegen seiner durchgebildeten Kunstformen und seines ausgeprägten Stilcharakters einen architektonische Edelstein. ………….“
Die Bautzner Bevölkerung selbst nannte das Haus auf Grund der angeblichen Baukosten von 1 Mio. Goldmark schlicht die „Millionenvilla“!
Bereits Anfang der 1930-er Jahre zogen Weigang`s nach Dresden in die 1916 erworbene Villa „Bautzner Landstraße 44“ im Stadtteil „Bad Weißer Hirsch“.
Die Villa Weigang ging neben den übrigen umfangreichen Bautzner Besitztümern im Jahre 1939 in städtisches Eigentum über und durchlebte ab diesem Zeitpunkt eine wechselvolle Zeit. Schon Weigang`s überließen die Villa und das Parkgelände der damals sehr bekannten Kindergärtnerin Christel Ulbricht, für die Kinder und das Haus sicher noch ein Segen. In den späteren Kriegsjahren musste die Villa als Außenstelle des Bautzner Krankenhauses herhalten. Vermutlich wurden in dieser Zeit die umfangreichen Malereien bereits überstrichen. Ende April 1945 tobte ein tagelanger Häuserkampf in Bautzen, welcher auch an der Villa nicht spurlos vorüberging. Das prachtvolle Innere der Villa war durch die beschädigte Mittelkuppel längere Zeit der Witterung ausgesetzt. Es grenzt an ein Wunder und spricht für die bauliche Substanz, dass trotz dieser Umstände derart viel von der prachtvollen Ausgestaltung erhalten blieb. Der russische Bergbauingenieur und spätere Professor Kusnezow hatte Sinn für Architektur und ließ das Haus notdürftig instand setzen, verloren ging jedoch die Kuppel über der Zentralhalle. Zeitzeugen berichten, dass damals die überstrichenen Malereien insbesondere im großen Salon wieder freigelegt wurden.
Nach dem Krieg wurde die Villa das „Haus der internationalen Solidarität“. Übersetzt hieß das, im Haus wohnten westliche Deserteure und Übersiedler. Amerikaner, Engländer, Belgier, Franzosen, Holländer und Menschen aus andere Nationen beherbergte die Villa. Anfang der 1960 er Jahre endete diese Nutzung und die Villa wurde zum „Kreiskulturhaus Bautzen“. Dabei ging leider die Innengestaltung des Gartensalons verloren, hier zog die Nüchternheit der 1960- er Jahre ein. Diverse Kulturvereine, Musik- und Tanzgruppen, der erste Bautzner Computerclub u.a. quartierten sich in der Villa ein.
Im Jahre 1987 wurde die Villa unter Denkmalschutz gestellt und unter einem neuen Blickwinkel betrachtet. Die Weigangsche Aura war nie völlig verblasst und lebte unter der Bautzner Bevölkerung weiter. Die Architektin Christa Kämpfe, damals tätig für den VEB Denkmalpflege, nahm sich der Villa an. Das Gebäude wurde zeichnerisch und thematisch erfasst und beschrieben. Der erste Höhepunkt der sich mittlerweile über Jahrzehnte erstreckenden Sanierung war das Aufsetzen einer neuen Mittelkuppel im Jahre 1987. In den frühen 1990 er Jahren wurden umfangreiche Restaurierungsmaßnahmen am Objekt durchgeführt. Die ausufernden Kosten und die nicht unproblematische Nutzung des Objektes veranlassten die Stadt Bautzen im Jahre 1998 die Villa zum Verkauf auszuschreiben. Die REPPE IMMOBILIEN GMBH kaufte das Haus und begann umgehend mit der mehrjährigen Sanierung. Seit 2002 wird die Villa als einzigartiger Veranstaltungsort und als Geschäftssitz der Eigentümer genutzt. Im Jahre 2005 ergab sich für die Eigentümer die Gelegenheit, das benachbarte Gelände Wallstraße 3 zu erwerben. Damit konnte der in den 1970-er Jahren errichtete Veranstaltungs- und Festsaal, welcher das ursprüngliche Weigangsche Parkgelände im Rückraum der Wallstraße 3 durchtrennte, abgerissen werden. Die Villa Wallstraße 3 und das villenartige Fachwerkhaus Wallstraße 3a wurden damit räumlich freigestellt. In den Folgejahren wurde die aufwändige und kunstvolle Einfriedung entlang der Wallstraße rekonstruiert und der Park mit seinen ursprünglichen Wegen wieder angelegt. Die Villen Wallstraße und 3 a wurden durch heimische Unternehmer aufwändig und denkmalgerecht saniert und rekonstruiert. Das Weigangsche Villenareal erstrahlt seit dem Jahre 2011 durch eine hohes privates Engagement einheimischer Unternehmer nach 72 Jahren wieder im alten Glanz und stellt einen architektonischen Höhepunkt im Bautzner Stadtbild dar.